1. OKTOBER 2013 – NÜRNBERG
    Leo Schneeweiß war müde und nachdenklich und wühlte in seinen Unterlagen. Monatelang hatte er alles recherchiert, was in der Vergangenheit geschah. „Die Goldene Glocke“ – Wo hatte sein Ur-Ur-Ur- Großvater dieses einzigartige Kunstwerk versteckt?
    Das Flugzeug kreiste bereits über der Stadt und wartete auf die Landefreigabe auf dem „Albrecht-Dürer- Airport. Leo hatte bereits einige Projekte dieser Art geplant und meisterhaft durchgeführt, aber die Glocke bereitete ihm Kopfzerbrechen. Er brauchte mehr Zeit und eine neue Identität.
    Zunächst werde er sich einen Unterschlupf in Nürnberg suchen müssen und er brauchte neue Papiere.
    Das waren die ersten Schritte, die er unbedingt erledigen musste.
    Leo dachte an Tatjana. Sie würde seine erste Anlaufadresse in Nürnberg sein. Tatjana besitzt einen Copyshop in St. Leonhard und verfügt über gute Kontakte in die kunsthistorische Szene in Nürnberg.
    Leo war sich sicher, dass Tatjana ihm eine große Hilfe sein könnte bei der Suche nach der Glocke.
    Das Flugzeug setzte zum Landeanflug an und in der Ferne sah Leo den „Fernsehturm Nürnberg. Leo lachte still in sich hinein: „Von wegen Fernsehturm. Dort befindet sich in Wirklichkeit die Überwachungszentrale des CIL.“
    Leo wusste, dass er nicht der Einzige war, der auf der Suche nach der Glocke ist. Die Geheimdienste hatten ihn schon seit Monaten im Visier und versuchten ihn ausfindig zu machen. Zuletzt war Leo in Hongkong gewesen und floh dann über Moskau in seine begrenzte Freiheit. In Moskau wiederum machte Leo kurzzeitig Bekanntschaft mit dem Geheimbund der „Hook’s aus Leonau“. Dieser geheime Club entstand vor 150 Jahren aus Mitgliedern der „bayrischen Garden“.
    Das Interesse an der Glocke war einfach zu groß. „Zu viele Köche verderben den Brei, dachte sich Leo in diesem Moment.“
    Das Flugzeug ist gelandet. Leo ist endlich angekommen und dennoch wusste er, je näher er seinem Ziel kam, umso gefährlicher wurde es.Im CIL-Überwachungscenter saß Tom Debrel zu dieser Zeit seit Stunden vor seinen Bildschirmen und genoss dabei den Panoramablick über die Dächer von Nürnberg. Seit Monaten versuchte er herauszufinden, wo Leo Schneeweiß ist, aber er fand einfach keine Spur von ihm. „Leo ist wirklich ein Meisterdieb der besten Sorte“, dachte sich Tom.
    Seit nunmehr einem halben Jahr recherchierte Tom bereits alles was man zu Leo Schneeweiß wissen musste. Jeden Tag wurde die Akte dicker. Doch bis heute weiß immer noch niemand, wie dieser Leo überhaupt aussieht.
    Frustriert blickte Tom auf seine Pinnwand und ordnete seine Gedanken.
    1990 Moskau – „Der geheime Schatz des Zaren.“ Ungelöst.
    1995 Berlin – „Die Maske des Pharaos.“ Ungelöst
    2000 Venedig – „Die goldene Gondel.“ Ungelöst
    2005 Paris – „Der Mond der Lisa.“ Ungelöst
    2010 Madrid – „Der geheime Dürer.“ Ungelöst
    „Moment mal…“, dachte sich Tom Debrel.
    „Natürlich, das ist es! Wie konnte ich das übersehen? Der geheime Dürer ist der Anknüpfungspunkt, weshalb Leo Schneeweiß überhaupt nach Nürnberg kommt.“
    Tom rannte in das Büro von Al Kham – auch genannt „der Techniker“.
    „Al Kham, ich brauche alle Informationen über den ‚geheimen Dürer‘. Letzter bekannter Aufenthaltsort war Madrid. Suchen Sie alle Anknüpfungspunkte zu Nürnberg und St. Leonhard / Schweinau“, befahl Tom.
    Al Kham tippte etwas in seinen Computer und wenige Sekunden später hatte er schon ein Ergebnis:
    „Die älteste Darstellung der Kirche St. Leonhard findet sich in einem Bildausschnitt von Albrecht Dürer von 1494 wieder. Im Vordergrund ist die Kleinweidenmühle zusehen, während der Rochusfriedhof und Gostenhof noch unbebautes Feld sind“, sagte Al Kham.
    „Das ist der Hinweis, den ich gesucht habe“, sagte Tom.
    „Leo Schneeweiß hat es irgendwie auf diesen Ort abgesehen. Wir müssen unsere Überwachungsteams zunächst auf diese Koordinaten konzentrieren. Was wissen wir sonst noch?“, fragte Tom.
    Al Kham suchte weitere Informationen: „Nun, Die Kirche St. Leonhard wurde am 25. Januar 1317 eingeweiht. Am 02. September 1632 wurde die Kirche im Dreißigjährigen Krieg durch die Kroaten zerstört. Am 02. September 1660 wurde die wieder aufgebaute Kirche feierlich eingeweiht. An diesem Termin findet in unserer heutigen Zeit immer noch die Kirchweih in St. Leonhard statt. Es dauerte allerdings noch bis 1809, dass St. Leonhard eine eigene Pfarrei wurde. Zu ihr gehörten anfangs 35 Orte außerhalb der Stadtmauern von Gostenhof bis zum Dutzendteich mit insgesamt 545 Häusern und 4.350 Bewohnern. 1887/88 erhielt die Kirche ihren Turm. In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1943 wurde die Kirche jedoch nach einem Bombenangriff im 2. Weltkrieg vollständig zerstört und erst am 9 November 1959 wieder neu eingeweiht.“
    „Das sind im wesentlichen die Informationen, die sich finden lassen“, sagte Al Kham.
    „Okay, konzentrieren wir unsere Ermittlungen auf dieses Gebiet“, befahl Tom.

    Leo Schneeweiß verließ zu diesem Zeitpunkt das Flughafengebäude und machte sich auf den Weg in die Stadt. Er nahm sich ein Taxi und fuhr davon.